Monika Maron – „Zwei Brüder“

Ich zitiere einmal zwei Textstellen aus dem neuen Buch von Monika Maron „Zwei Brüder“:

„Auf unbegreifliche Weise ahmten sie ihr Peiniger nach, bis in die Fackelzüge und Uniformen.“

„Warum sie hinnahmen, was auch in ihrem Namen geschah, warum sie mittaten in einer Wirklichkeit, die mit ihrem Ideal nur den Namen gemeinsam hatte, erscheint mir, je länger ich darüber nachdenke, als eine Frage nach der menschlichen Natur schlechthin und somit als unbeantwortbar.“

„Wo immer ich höre, dass einer weiß, was der anderen Menschen Glück ist; wo immer ich lese, dass jemand im Namen einer Idee über Millionen Menschen verfügt, und sei es nur in Gedanken; wo immer ich sehe, dass einer alten Ideologie frische Schminke aufgelegt wird, um ihren Tod zu maskieren, packt mich das Entsetzen. Und eine jahrzehntealte Wut.“

Denglisch oder Rutsch?

Gefunden im Haus der deutschen Sprache:

RUTSCH?

Alle reden von, klagen über “Denglisch“ und versuchen, ihm vernünftige Grenzen zu setzen. Doch was ist mit “Rutsch“?

Wäre etwas dran an der Legende, dass die westdeutsche “D“englisch-Manie auf den Druck der anglophonen Weltkriegssieger zurückgeht, dann müsste es logischerweise in der ehemaligen DDR jede Menge “Rutsch“ gegeben haben, in den östlichen Bundesländern noch heute geben: Russisches Deutsch?

Das gab es aber nur in erstaunlich begrenztem Maße, und auch davon hat nur wenig das Ende der sowjetischen Präsenz zwischen Elbe und Oder überlebt.

Freunde des HDS in Halle an der Saale haben netterweise ihr Gedächtnis gemartert, doch nur wenig zusammentragen können. Wissen junge “Ossis“ noch, was einst alle wussten: “dawai“ bedeutet “schnell, vorwärts!“. Bleiben sie stehen, wenn jemand “stoi“ ruft? Eher nicht. Das (heute) alte Mütterchen erinnert sich vielleicht, dass man ihresgleichen einst zärtlich “Bábuschka“ genannt und es selbst als Kind die hölzernen Püppchen der bunten “Matróschka“ auseinandergenommen und wieder ineinander gesteckt hat.

Am ehesten hat die Jugend der neuen Bundesländer vielleicht von ihren Eltern noch “Mir“ als “Frieden“ im Ohr oder den “Subotnik“ als “Freiwilligen(!)“ beim gemeinnützigen Arbeitseinsatz am Wochenende (суббота = Samstag). Vielleicht versteht der Kellner noch “sto gramm“, wenn jemand ein Hundertgramm-Schlückchen Wodka bestellt?

Die “Datsche“, der “Apparatschik“, auch das “Schaschlik“ waren lange vor dem Abzug des sowjetischen Militärs auch in Westdeutschland angekommen. Den “Samowar“ kennt ganz Europa schon lang aus der russischen Literatur. Im Westen findet jetzt allmählich auch “Soljanka“, die würzige Fleischsuppe, Freunde und Platz auf der Speisekarte. Derweil stellen sich die russischen “Pelméni“ in deutschsprachigen Gebieten der internationalen Konkurrenz der Ravioli, Maultaschen, Mandu und Piroggen.